Meuselwitz - Historisches
Das Gebiet um Meuselwitz wurde bereits vor ca. 6000 Jahren von steinzeitlichen Jägern und Sammlern besiedelt.
Das beweisen Funde wie z. B. Äxte, Pfeilspitzen und Gefäßscherben, die der Mittel- und Jungsteinzeit zuzuordnen sind. Auch Gegenstände aus der Bronzezeit wurden Ende des 19. Jahrhunderts bei gezielten Grabungen oder beim Freilegen von Kohlefeldern gefunden.
Ein genaues Gründungsdatum unseres Ortes konnte bisher nicht festgestellt werden.
Die Ersterwähnung stammt aus dem Jahr 1139, als der Bischof Udo von Naumburg in einer Urkunde festlegt, dass Hartwig de Mizleboze, der das Lehensrecht über das hiesige Gebiet hatte, seinen Frucht- und Viehzehnten nicht mehr an den Bischof, sondern künftig an das Kloster Bosau zu zahlen hat.
Ortsnamen und Aberglaube
Erst etwa 200 Jahre später werden die Informationen zahlreicher, der Ortsname wandelt sich mehrfach über Muzlebuce, Mizliboze und Mußelbus, bis die heutige Bezeichnung – lange noch als „Meußelwitz“ - etwa im 15. Jahrhundert erstmalig auftritt. 1525 wird durch Günter von Bünau die Reformation hier eingeführt. Ab 1577 siedeln sich unter Heinrich Cramer von Claußpruch und seinen Nachkommen neben Kaufleuten auch die Innungen der Tuchmacher, Leineweber, Gerber und Schuhmacher an. Die überwiegend textilen Gewerbe resultieren aus der um Meuselwitz umfassend betriebenen Landwirtschaft, speziell der Schafzucht. Für die Weber werden kleine Häuser im Gebiet zwischen Rittergut und Kirche errichtet. Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, mehrere Großfeuer sowie die Pest im Jahr 1626 bedeuten für die Ortsentwicklung große Rückschläge. Wirtschaftlich sehr fortschrittlich, doch dem Aberglauben noch stark verhaftet, finden unter Claußpruch in der Zeit von 1648 bis 1672 sechs Hexenprozesse statt, denen 4 Frauen und 2 Männer zum Opfer fallen.
Familie Seckendorff
Den Besitz erbt der Sohn seines Bruders, der Generalfeldmarschall Friedrich Heinrich von Seckendorff, der neben seinen Kriegs- und diplomatischen Diensten in ganz Europa auch Meuselwitz viel Aufmerksamkeit schenkt. Er lässt 1709 den heute noch bestehenden Park im französisch-holländischen Stil anlegen, der in den Jahren 1724 – 1727 zu einem Lustgarten mit überreichem Statuenschmuck und verschiedenen Wasserkünsten ausgebaut wird. In dieser Zeit erhält auch das Schloss seine kastellartige Form, welche bis 1945 erhalten bleibt.
Industrie
1670 wird bei Meuselwitz „brennbare Erde" gefunden, die ersten Abbauversuche werden aber durch Intervention der Gerichtsbarkeit unterbunden. Auch die Meuselwitzer Haushalte wollen von der „schwarzen, klebrichten, stinkenden Masse“ nichts wissen. Erst um 1840 gelingt es dem Bauernsohn Johann Christian Kluge durch den Einsatz moderner, mit Dampf betriebener Maschinen, sowohl das ansteigende Wasser als auch das „schwarze Gold“, die Braunkohle, zuerst im Bergbau, später im Tagebau, effektiv abzubauen. Die Bevölkerung war durch die allgemeine Holzknappheit gezwungen, sich dieser neuen Möglichkeit der Feuerung anzuschließen.
1834 beginnt mit der Gründung der Herbst’schen Weberei die industriemäßige Stoffproduktion mit weit über 100 Beschäftigten.
1861/62 wird das Rathaus erbaut, doch erst 1874 erhält Meuselwitz durch Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg das Stadtrecht. 1872 wird die Eisenbahnverbindung Altenburg – Zeitz eröffnet, weitere Streckenverbindungen nach Gaschwitz und Ronneburg folgen.
1876 siedelt sich mit Gründung der Maschinenfabrik „Heymer & Pilz" der Werkzeugmaschinenbau an. 1901 entsteht die Porzellanfabrik „Hentschel & Müller“, in der neben Isolatoren auch Gebrauchsgeschirr hergestellt wird. In den Jahren 1900 bis 1930 entstehen als Folge der Ausweitung des Bergbaus und seiner Nachfolgeindustrie
Die HASAG, ein Außenlager des KZ Buchenwald
Die Porzellanfabrik geht während der Weltwirtschaftskrise in Konkurs und wird um 1936 von der HASAG Leipzig gekauft. Weiteres Gelände wird erworben, neue Fabrikhallen errichtet. Offiziell ist das Werk auf dem Gebiet der Gerätefertigung tätig. In Wirklichkeit werden ab 1938 Infanteriepatronen, Flakgeschosse und später auch Panzerfäuste produziert. Im Februar 1944 beschäftigt das Werk 3270 Personen, vielfach Fremdarbeiter und Kriegsgefangene.
Ab Oktober 1944 werden vorwiegend Frauen und Mädchen aus Osteuropa, die in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück interniert waren, aber auch Männer aus dem KZ Buchenwald zur Zwangsarbeit nach Meuselwitz gebracht und müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen Kriegsmaterial herstellen.
Als bei schweren anglo-amerikanischen Luftangriffen große Teile von Meuselwitz zerstört werden, kommen auch 39 weibliche HASAG-Häftlinge ums Leben. Weitere sterben auf Transporten und Todesmärschen, die Überlebenden ringen bis zum Lebensende mit den schrecklichen Erlebnissen ihrer Jugend.
Weiterführende Literatur hierzu:
„Altenburger Geschichts- und Hauskalender 2006“ – Artikel von Dr. Günter Hauthal,
„Züge auf falschem Gleis“ – Fred Schwarz – Verlag Der Apfel, Wien 1996
„Als Mädchen im KZ Meuselwitz: Erinnerungen von Maria Brzecka-Kosk“ Hsg. Stiftung Sächs. Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft
Das HASAG-Werk wird schwer zerstört, produziert trotzdem nach Kriegsende noch kurzzeitig Metallwaren für Haushalte. Nach der Entfernung aller als Reparationsleistungen angesehenen Maschinen und Ausrüstungen durch die Besatzungsmacht werden die Überreste der HASAG 1947 gesprengt.
Meuselwitz im Zweiten Weltkrieg
Aufgrund der Rüstungsproduktion der HASAG, des Maschinenbaus und der petrolchemischen Industrie im Umland (BRABAG Zeitz und Tröglitz, DEA Rositz) wird Meuselwitz zweimal bombardiert. Am 30. November 1944 und am 20. Februar 1945 sterben etwa 250 Menschen in den Trümmern der Stadt, etwa 85 % der Bausubstanz sind beschädigt (siehe auch Wikipedia „Luftangriffe auf Meuselwitz“)
Meuselwitz wird am 14.04.1945 kampflos an die von Nißma her einmarschierenden Amerikaner übergeben. Ab 1. Juli 1945 gehört Thüringen, und damit auch Meuselwitz, lt. der Konferenz von Jalta, zur Sowjetischen Besatzungszone.
Neubeginn und DDR-Zeit
Das Rittergut ist vernichtet, die Besitzer werden enteignet und die Reste des Schlosses gesprengt. Die Steine werden für den Wiederaufbau der Wohnhäuser und den Bau von Neubauernhäusern verwendet. Viele Flüchtlinge und Vertriebene finden hier trotz der großen Wohnungsnot eine neue Heimat.
Durch die territoriale Neugliederung in der DDR wird Meuselwitz 1952 dem Bezirk Leipzig zugeordnet. Der Abriss von zerstörten Häusern und die Verlegung der heutigen B 180 verändern das innerstädtische Bild erheblich.
Bei Bünauroda nimmt 1971 im Zuge des Aufschwungs im Werkzeugmaschinenbau die damals modernste Graugussgießerei der DDR den Betrieb auf. Dafür werden Arbeitskräfte benötigt, die in neu erbauten Wohnblocks in der Innenstadt ein neues Zuhause finden. Private Betriebe werden verstaatlicht oder müssen sich zu PGH‘s zusammenschließen.
Die Baumwollweberei firmiert unter „VEB Technische Textilien Meerane“ und stellt vorrangig Babydecken für den Export und die gesamte DDR her.
Im VEB Maschinenfabrik „John Schehr“ werden überwiegend große Walzenbearbeitungsmaschinen, aber auch kleine Dinge, wie Campingroster und Mohnmühlen, für den Bevölkerungsbedarf hergestellt.
Am Bahnhof entsteht 1984 ein Container-Umschlagplatz für 20-t-Container aus den umliegenden Kreisen.
Bis 1989 sind außerdem der Bergbau mit seiner Kohleveredlung und die Gummifabrikation Struktur bestimmend.
Meuselwitz - seit 1990
Seit der Länderneugliederung 1991 gehört Meuselwitz wieder zu Thüringen. Seither haben sich in Meuselwitz zahlreiche Veränderungen vollzogen. Für das traditionelle Einzugsgebiet von derzeit ca. 20.000 Einwohnern im Umfeld soll Meuselwitz auch weiterhin seine zentrale Stellung behalten und weiter ausbauen. Rekonstruktionen und Neubauten im innerstädtischen Bereich werden im traditionellen Stil in der Kopplung von Wohn- und Geschäftshäusern ausgeführt. Vielfältig sind die Aktivitäten zur Schaffung neuen Wohnraumes bzw. zur Instandsetzung vorhandenen Wohnraumes. So wurden in den Jahren 1991 bis 1999 in der Städtischen Wohnungsgesellschaft Meuselwitz mbH von einem Bestand von derzeit 1.411 Wohnungen mehr als 2/3 teilweise bzw. komplex modernisiert. Durch Dachgeschossausbau wurde teilweise weiterer Wohnraum geschaffen, durch Um- und Ausbau bestehenden Wohnraumes stehen zusätzliche Sozialwohnungen zur Verfügung. Alle diese Maßnahmen umfassen bis Ende 1999 einen finanziellen Aufwand von insgesamt rund 30,5 Mio €. Mit einem finanziellen Aufwand von 330 T€ wurden durch die Städtische Wohnungsgesellschaft Meuselwitz mbH in der Geschwister-Scholl-Str. 16 ein Objekt für Betreutes Wohnen sowie in der Mühlgasse 9 ein Gebäude für ein Kleinstkinderheim hergerichtet.
Am Lauffener Ring in Zipsendorf entstand ein durch das Land Thüringen gefördertes Wohnungsbaugebiet. Dieses Bebauungsgebiet ist erweiterbar, so dass dort insgesamt etwa 250 Wohnungen entstehen können. Im Ortsteil Mumsdorf wurde durch private Hand mit der "Wohnresidenz" ein Komplex weiterer Wohnungen geschaffen.
Um den Bürgern von Meuselwitz und der näheren Umgebung ein attraktives Verkaufsangebot zu ermöglichen, wurden in den letzten Jahren in unmittelbarer Zentrumsnähe 2 Einkaufsmärkte errichtet. Zum einen ist es das City-Center, das neben verschiedenen Verkaufseinrichtungen auch Arztpraxen, Apotheke, Physiotherapie und Dienstleistungsangebote in seinen Mauern vereinigt, zum anderen sind es die Westpassagen, die die direkte Verbindung zwischen Meuselwitz und dem ehemaligen Zipsendorf herstellen. Dort sind neben unterschiedlichen Verkaufseinrichtungen auch eine Reiseagentur, gastronomische Einrichtungen und ein großer Baumarkt zu finden. An der oberen B 180, am Ortsausgang in Richtung Altenburg wuchs in den letzten Jahren ein Gewerbestandort mit Einkaufsmarkt und Autohaus. Unterschiedliche Geschäfte in der Georgen- und Bahnhofstraße, Gaststätten, Hotel und Eisdiele in der verkehrsberuhigten Zone des Stadtkerns laden zum Bummeln ein.
Zahlreiche in privater Initiative liebevoll restaurierte Häuser verleihen der Stadt ein attraktives Aussehen. Für die Autofahrer wurde in unmittelbarer Zentrumsnähe auf dem Schlossplatz, unmittelbar hinter dem Busbahnhof ein großer Parkplatz geschaffen, der zur gebührenfreien Nutzung zur Verfügung steht. Der Busbahnhof neben dem Parkplatz wurde völlig umgestaltet. Nicht unwesentlich ist, dass neben einer intakten Infrastruktur die medizinische Versorgung in Meuselwitz gesichert ist. Das Ärztehaus in Zipsendorf, das Gebäude Baderdamm 7 und das City-Center beherbergen jeweils verschiedene Arztpraxen, medizinische Einrichtungen bzw. Apotheken, weitere Ärzte haben ihre Praxen im Stadtgebiet. Meuselwitz bietet ein komplettes Angebot an Bildungseinrichtungen von Grund- und Regelschule, Gymnasium ("Europa-Schule") sowie berufsausbildende und -weiterführende Einrichtungen.
Sowohl im barocken von-Seckendorff-Park als auch im Wirkerpark, beide gepflegt durch die Stadtgärtnerei und entsprechend den Jahreszeiten gestaltet, finden die Einwohner von Meuselwitz und ihre Gäste Ruhe und Entspannung. Als einziger Überrest der historischen Schlossanlage stellt die Orangerie ein wertvolles Kulturdenkmal dar. Nach umfangreichen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1992 bis 1998 steht das Gebäude mit einer attaktiven Cafe/Restaurant und einem Festsaal zu kulturell-literarischen Veranstaltungen den Besuchern offen.
Ende 1998 wurde mit dem Bau einer Dreifelder-Schulsporthalle mit kommunaler Mehrfachnutzung begonnen, die seit ihrer Fertigstellung (Eröffnung am 06.05.2000) neben den vorhandenen Stadien und Sporteinrichtungen sowohl dem Schul- als auch dem Vereinssport, aber auch für Veranstaltungen zur Verfügung steht. Zahlreiche Tiefbaumaßnahmen in Straßen und Plätzen der letzten Jahre, die vor dem Aufbringen des Deckenschlusses getätigt wurden, standen im Zusammenhang mit der Herstellung eines Sammelsystems einschließlich Hauptsammler, welches die Zuführung der Abwässer zur am 09.09.1993 in Betrieb genommenen Kläranlage ermöglicht. Die Tiefbaumaßnahmen wurden ergänzt durch das Einbringen der Versorgungsleitungen der Telekom zum Anschluss an das Telefon- und Breitbandkabelnetz.
Die Stadt Meuselwitz hat in den letzten Jahren durch den hohen Anschlussgrad von Gebäuden und Institutionen an das Fernwärmenetz einen wesentlichen Beitrag zur Sauberhaltung der Luft geleistet. Als Alternative für die in Meuselwitz bestehende Fernwärmeversorgung wurde für die Ortsteile eine Versorgung mit Erdgas ermöglicht. Darüber hinaus wurden dort schrittweise Maßnahmen zur Verschönerung durchgeführt. So wurde in Bünauroda der Teich neugestaltet, in allen Ortsteilen sind neu gestaltete Kinderspielplätze entstanden und es wurden Straßenbauarbeiten durchgeführt usw.
Die zahlreichen um Meuselwitz vorhandenen ehemaligen Industriestandorte, die zum Teil über Gleisnebenanschlüsse Verbindung zum Streckennetz der Deutschen Bahn AG besitzen, stehen offen zur Neubesiedlung für Handwerks- und Gewerbetreibende zur Verfügung. Zum Teil. sind diese Bestrebungen auch bereits mit guten Ergebnissen verlaufen, wie z. B. im Gewerbegebiet Am Lehrbetrieb und im Industriepark Nord. Weitere Standorte sind das Gewerbegebiet ehemals Zipsendorf Z III - Brikettfabrik - sowie Bünauroda. Für einen Gewerbestandort in Mumsdorf liegt ein bestätigter B-Plan vor, der Erschließungsbeginn kann bei Bedarf sofort erfolgen.
All diese schon fertiggestellten bzw. die im Bau oder in Vorbereitung befindlichen Objekte zeigen Aktivitäten in und um Meuselwitz, die ein gutes Zusammenspiel zwischen den Behörden, den Investoren und den Bürgern widerspiegeln. Von Besuchern und Einheimischen gleichermaßen werden die restaurierten und im traditionellen Stil erhaltenen Gebäude ebenso bewundert wie die im modernen Kontrast dazu entstandenen Neubauten. Meuselwitz kann damit auf gute Ansatzpunkte zu einer attraktiven und sehenswerten Stadt im Landkreis Altenburger Land verweisen.